Schatten, Schatten

Der Schatten - das älteste Medium der WeltMuseum für Gestaltung, Basel. April 2001

Konzept: MfG und Thomas Hamann
Gestaltung: Thomas Hamann

zur Ausstellung

Die Schattenseiten

"In der Tat aber, wenn man auch dies Sehen sich genauer vorstellt, so kann man leicht gewahr werden, dass man in der absoluten Klarheit so viel und so wenig sieht, als in der absoluten Finsternis, dass das eine Sehen so gut als das andere, reines Sehen, Sehen von Nichts ist. Reines Licht und reine Finsternis sind zwei Leeren, welche dasselbe sind. Erst in dem bestimmten Lichte - und das Licht wird durch die Finsternis bestimmt - also im getrübten Lichte, ebenso erst in der bestimmten Finsternis - und die Finsternis wird durch das Licht bestimmt - , in der erhellten Finsternis kann etwas unterschieden werden, weil erst das getrübte Licht und die erhellte Finsternis den Unterschied an ihnen selbst haben, und damit bestimmtes Sein, Dasein, sind." (G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Buch I, 1. Abschnitt, Kap. 1, Anm. 2)

Vielleicht tatsächlich, jedenfalls aber der Legende nach, verdankt die Malerei ihre Existenz der Entdeckung des Schattens. Seitdem wirft der Schatten seine Schatten voraus: Der Schatten steht am Anfang aller Abbilder - und damit am Beginn einer langen Karriere der Medien. Diese Evolution des Schatten- oder Lichtbilds stellt die Ausstellung nicht nach, aber sie geht einigen der medialen und nicht zuletzt ästhetischen Aspekte des Phänomens Schatten nach - und zwar auch im Lichte der sogenannten neuen Medien.

Dass es sich beim Schatten dennoch um ein ausgesprochen 'altes Medium' handelt, ergibt sich schon daraus, dass man es geradezu als ältestes bezeichnen kann. Veraltet ist der Schatten deshalb noch lange nicht - vor allem, weil er einfach immer da ist, so unspektakulär er sein mag. So unspektakulär er sein mag, so viele Rollen spielt der Schatten auch. Man kann sich ihm als optisches, mythologisches, literarisches, ästhetisches, philosophisches, kulturgeschichtliches, ethnologisches, technisches oder auch medientechnisches Phänomen nähern, ohne dass man ihm so viel näher kommen würde. Nicht zuletzt handelt es sich beim Schatten jedoch auch um ein gestalterisches Element: Der Schatten ist ein elementares Element der Gestaltung. 'Kein Licht ohne Schatten', das kennt man - aber es gilt auch: Kein Raum ohne Schatten, keine räumliche Wahrnehmung ohne Schattenwahrnehmung, keine Raumbildung ohne Schattenbildung. So ist das Ziel der Ausstellung weder, den Schatten vollumfänglich zu erklären, noch, gesammelte Schattenbilder und -geschichten zu dokumentieren. Vielmehr begegnet man in diesem 'Schattenkabinett' überwiegend - sich selbst. Doch wird man sich mitunter wundern über den eigenen Schatten. Er ist nicht immer der, den man zu kennen glaubt und wie man ihn erwarten würde. Und da muss man dann schon hin und wieder bereit sein, über seinen eigenen Schatten zu springen. Entsprechend dem einigermassen immateriellen Phänomen Schatten findet man in der Ausstellung nur gerade so viele Gegenstände, wie das Licht braucht, um Schatten zu werfen - und manchmal sogar nur Licht und Schatten. Zwischen rechneranimierten 'wandelnden Schatten', die selbständig durch den Raum spazieren und Platons Höhlengleichnis von der Welt als Schattenwelt, bietet die Ausstellung noch allerlei weitere Möglichkeiten, mithilfe des Mediums Schatten zu kommunizieren, zu agieren, zu reagieren oder zu interagieren.

Museum für Gestaltung, Basel, Schwabe Verlag, ISBN 3-7965-2016-2